Der Schüler

Selbst wenn die Suche nach dem richtigen und guten Lehrer erfolgreich war, kann der Erfolg nur dann eintreten, wenn diesem Lehrer der entsprechende Schüler gegenüber steht. Talent erleichtert die Arbeit, steht aber weniger im Vordergrund. Vielmehr ist es die innere Einstellung des Schülers gegenüber dem Lehrer, dem Pferd und dem Sinn des Reitens an sich.

 

Wer also vom Lehrer eine "Bedienungsanleitung" erwartet, hat den Sinn des Reitens noch nicht verstanden und wird scheitern. Bedienungsanleitungen gibt es für tote Maschinen, das eigene Pferd sollte jedoch davon weit entfernt sein.

 

Er ist auch kein Animateur. Natürlich soll er motivieren und anspornen. Es ist aber nicht seine Aufgabe den Schüler zu animieren, sich überhaupt einmal zu bemühen und sich anzustrengen. Hier zu denken, der Lehrer sei ja Dienstleister, bedeutet, Geld zum Fenster hinaus zu werfen. Der Lehrer merkt sehr schnell, ob sein Schüler die Lerninhalte von einer Stunde zur nächsten Stunde weiter verfolgt hat. Wenn nicht auf Anhieb sichtbar, dann durch die Fragen zu eventuellen Problemen, die sich ergeben.

 

Eine erfolgreiche Beziehung zwischen Schüler und Lehrer basiert auf dem Vertrauen zum Lehrer und dessen Befähigung. Damit einher geht die Anerkennung als Autorität, auch wenn das altmodisch klingt. Es ist sicherlich nicht falsch kritisch zu sein. Es ist jedoch zunehmend fest zu stellen, das Alles und Jeder nicht nur kritisch betrachtet, sondern in Frage gestellt wird, teilweise nur, um die eigene Person, ohne den nötigen sachlichen und fachlichen Hintergrund, aufzuwerten. Ein Student im ersten Semester, der die Richtigkeit der Lehren und Naturgesetze in Frage stellt, wirkt nicht kritisch, sondern nur lächerlich, wenn er seine Behauptungen nicht fundiert belegen kann.

 

Dieses "in Frage stellen" hat zur Folge, dass der Schüler auf die Anweisung des Lehrers " Ja…, aber…" denkt. Dieser Zweifel lässt den Reiter die Anweisung zögerlich und unbestimmt ausführen. Der gewünschte Erfolg bleibt dadurch aus. Besser ist die Haltung "Er wird schon seine Gründe haben. Ich führe aus und warte was passiert".

 

Das soll nicht heißen, alles hin zu nehmen, was der Lehrer von sich gibt. Im Gegenteil. Der Lehrer sollte von sich aus Sinn und Zweck seiner Anweisung erklären, ist aber auch nur ein Mensch. Deshalb freut er sich, wenn der Schüler nachfragt, weil sich ihm Sinn und Zweck nicht erschließt. Ich habe immer wieder festgestellt, das wichtige Fragen nicht gestellt werden, weil sie für "dumm" gehalten werden. Es gibt keine dummen Fragen, nur unsachliche Antworten. Dies darf aber nicht in unendliche oder unsachliche Diskussionen ausarten. Sie stören die Konzentration, sprengen den Rahmen einer Klärung und lassen Höflichkeit, Respekt und Disziplin vermissen. Für grundsätzliche Fragen sollte dafür vor oder nach dem Unterricht Zeit sein oder sich genommen werden.

 

Die Directiven sind in diesem Punkt etwas strenger:

 

"…dass kein Reiter, solange er zu Pferde sitzt, sich Bemerkungen oder gar Erwiderungen erlaubt. Diese sind, sollte sich die Veranlassung hierzu ergeben haben, erst nach dem Absitzen in aller Form und Bescheidenheit vorzubringen."

 

Ob die praktische und theoretische Unterweisung in der Reitbahn erfolgreich sein wird, hängt auch von den Randgebieten ab. Stellt der Lehrer Mängel in der Ausrüstung, Hufpflege, Beschlag, Haltung, Fütterung usw. fest, geschieht dies nicht aus Besserwisserei, sondern weil hier ein direkter Zusammenhang zwischen Erfolg und Misserfolg besteht. Ein Beispiel dafür ist eine zu lange Zehe der Vorderhufe. Sie verhindert das schnelle Abrollen und kann damit schon zur Ursache eines gestörten Ganges im Schritt werden.

 

Diese Bereiche vom Unterricht abzukoppeln ist nicht möglich. Deshalb sollte man bei grundsätzlich, verschiedenen Auffassungen das offene Gespräch mit dem Lehrer suchen. Er kann dann entscheiden, ob die gewünschten Abweichungen den Erfolg gefährden oder nicht, bzw. auf die Abstriche aufmerksam machen, die dann in Kauf zu nehmen sind. Nichts ist unglaubwürdiger, als ein Lehrer, der von Grundsätzen und Konzepten abweicht, nur um sich den zahlenden Kunden zu erhalten. Es entsteht eine frustrierende und unnütze Zeit der wechselseitigen Unzufriedenheit, die schlussendlich den Bruch der Zusammenarbeit zur Folge hat.

 

In der Hoffnung die Ausbildung beschleunigen zu können, nehmen manche Reiter mehrere Lehrer innerhalb einer Woche oder im wöchentlichen Wechsel in Anspruch. Dies führt nur dann zum Erfolg, wenn diese Lehrer sich untereinander abstimmen und damit als Team auftreten. Jeder Lehrer hat seinen eigenen methodischen Aufbau, der, genau befolgt, zum Erfolg führt. Nicht aufeinander abgestimmt entsteht sowohl beim Reiter, als auch beim Pferd Verwirrung und der erhoffte Erfolg bleibt aus

 

Zu unterscheiden ist dabei, ob der Schüler seine Ausbildung abgeschlossen hat oder noch nicht. Ein Schüler mit abgeschlossener Ausbildung, ist ein Reiter, der ein ausgebildetes Pferd korrekt bis zur höchsten Klasse nachreiten oder sogar schon ein junges Pferd bis zu diesem Niveau ausbilden kann. Diese Reiter erkennen die Bedeutung der vermittelten Inhalte und deren Konsequenzen. Sie können entscheiden, ob diese Inhalte förderlich auf ihrem eigenen Weg sind oder nicht. Sie haben auch meistens keinen ständigen Lehrer mehr und besuchen Lehrgänge. Ob dies auch für alle anderen Reiter möglich ist, hängt davon ab, wie weit sie in ihrer Ausbildung fortgeschritten sind und ob sie alleine die Inhalte über einen gewissen Zeitraum fortführen können. Erfahrungsgemäß hält die Wirkung eines zwei- oder dreitägigen Lehrgangs drei Monate an. Die zunehmende Auffassung schon in der Grundausbildung, aus einzelnen Inhalten verschiedener Lehrer, eigene Wege entwickeln zu können, entspringt einer gewissen Selbstüberschätzung. Dagegen bereits nach sechs Monaten immer wieder den Lehrer zu wechseln, hat seine Ursache mehr in Unsicherheit, Ungeduld oder falschem Ehrgeiz.

 

Alois Podhajsky fand herzu klare und deutliche Worte:

 

"Außerdem muss jeder Reiter, der eine erfolgreiche Ausbildung anstrebt, sich vorbehaltlos der Schule unterordnen, die er aufgesucht hat, und sich ganz der Lehre hingeben. Es ist nichts schädlicher, als wenn der Reiter eigene Unzulänglichkeit damit zu entschuldigen trachtet, dass er die Schuld auf seinen Lehrer schiebt. Der Lehrer zieht den roten Faden der Ausbildung, dem der Schüler zu folgen hat. Erst am Ende der Ausbildung angelangt, wird er den Erfolg feststellen können. Ein Nichtbefolgen verhindert aber von Haus aus jeden Erfolg. Es gibt verschiedene Methoden, verschiedene Wege. Inwiefern der eine besser und der andere weniger gut ist, wird man erst dann entscheiden können, wenn man die einzelnen Wege ohne Ablenkung zurückgelegt hat. Dann erst kann man sich ein Urteil bilden. Daher bleibt das oberste Gebot für jeden Schüler, sich kompromisslos seinem Lehrer zur Verfügung zu stellen oder aber die Schule zu verlassen. Eine Zwischenlösung gibt es nicht. Erst dem Absolventen einer Schule bleibt es vorbehalten, auf eigene Füße gestellt, seinen eigenen Weg einzuschlagen."