Der Lehrer

Die Suche nach dem richtigen Lehrer gestaltet sich nicht ganz einfach. Besonders wenn man auf der Suche nach einem Lehrer der klassischen Reitkunst, der "alten Schule" ist.

 

Die einfache Rechnung, erfolgreicher Turnierreiter = guter Lehrer und Ausbilder, geht selten auf. Ein guter Turnierreiter ist nicht immer auch ein guter Ausbilder, ebenso wie ein guter Ausbilder nicht immer auch ein guter Turnierreiter ist. Sehr selten vereinigt sich beides in einer Person. Die Frage, auf welcher Grundlage der Turniererfolg entstanden ist, verdient besondere Beachtung. Hat der Reiter das Pferd selbst ausgebildet oder wurde es ausgebildet gekauft? Trainiert und erhält er den Ausbildungsstand oder übernimmt das ein anderer. Wurde der Erfolg gegen echte Konkurrenz erstritten oder in "Kleinkleckersdorf"? Die positive Beantwortung dieser Fragen ergibt allerdings nur, dass die betreffende Person reiten und ein Pferd ausbilden kann. Über die Qualität als Lehrer des menschlichen Schülers besagt dies nichts.

 

Wenn ich bisher von "Turniererfolgen" geschrieben habe, gleichgültig ob selbst errungen oder als Ausbildungserfolg, meine ich nicht Erfolge in Klasse A und L. Solche Erfolge sind Anzeichen einer guten, ersten Grundausbildung und das sich der Reiter wahrscheinlich auf dem richtigen Weg befindet. Damit befindet er sich aber immer noch in der Rolle des Schülers und nicht schon in der Rolle des Lehrers oder Ausbilders.

 

Kurt Albrecht sagte dazu:

 

"Lehrer zu sein, bedeutet fast immer und auf allen Gebieten, die eigene Ausbildung so weit abgeschlossen zu haben, dass man dem Schüler nicht nur "Nachhilfeunterricht" geben kann, sondern mit ruhigem Gewissen dessen Ausbildung von der Basis bis zur höchsten Stufe durchzuführen vermag. Diese Forderung muss immer höchstes Gebot bleiben, auch wenn die Umstände Abstriche von dieser Forderung gestatten….

 

…Wenn man bis zur letzten Phase sich immer noch um das eigene reiterliche Können bemühen muss, wird man nicht imstande sein, dieses bei der gezielten Weitergabe des theoretischen Begleittextes als wertvolles Polster bereit zu haben. Wenn hier von weitgehend abgeschlossener Reitausbildung gesprochen wird, so ist damit gemeint, dass ein fertig ausgebildetes Pferd korrekt nachgeritten werden kann und die wichtigsten Grundsätze für die Ausbildung eines Pferdes in den einzelnen Stufen beherrscht werden."

 

Etwas sicherer als der Blick auf die Turniererfolge ist da die Frage, wer diesen Reiter und/oder das Pferd ausgebildet hat. Hier besteht schon etwas mehr Sicherheit den richtigen Lehrer zu finden.

 

Der richtige Lehrer wird

 

  • nicht nur das "Wie", sondern immer auch das "Warum" und "Weshalb" erläutern,
  • über ein enormes Wissen, auch in Pädagogik und Didaktik, verfügen,
  • Sitz und Einwirkung eine sehr große Bedeutung beimessen und permanent daran feilen.
  • so früh als möglich Einfluss auf die Ausbildung seines menschlichen und tierischen Schüler zu nehmen,
  • möglichst die Grundausbildung nicht einem Anderen überlassen und nicht erst in dem Moment einsetzen, wenn er sich mit den Erfolgen seines Schülers profilieren kann,
  • Weder schablonenhaft, noch schematisch, sondern methodisch vorgehen, ohne sich an bestimmte Methoden zu klammern,
  • die Erfahrung besitzen sowohl Pferd, als auch Reiter bis zur höchsten Klasse fördern zu können,
  • offen und gerade heraus sein, auch wenn das für den Schüler manchmal unbequem ist,
  • den roten Faden vorgeben, dem der Schüler zu folgen hat.
  • Ziele setzen die erstrebenswert und erreichbar sind,
  • den Schüler erst zum "mitdenkenden Reiter ", dann zum "denkenden Reiter" heranbilden,
  • sich auch vom Sattel aus überzeugen, dass der visuelle Eindruck dem gefühlten Eindruck entspricht.

 

Nichts ist überzeugender, als ein Lehrer, der sich selbst in den Sattel setzen kann und den Beweis der Richtigkeit antritt.

 

Ein solcher Lehrer wird, wenn er selbst im Sattel sitzt, nicht gleich mit einem Schaureiten beginnen, sobald sich mehr als zwei Zuschauer an der Bande versammeln. Mit ein Grund warum gute Lehrer kaum zu entdecken sind. Durch ihre Erfahrung, Kenntnisse und Erfolge wissen sie, dass sie grundsätzlich nichts mehr beweisen müssen. Sie verteidigen auch nicht lautstark ihre Methode mit ihren Erfolgen, weil sie wissen, dass es viele Wege gibt und ein anderer Weg vielleicht viel größere Erfolge erzeugt hätte. Deshalb stehen sie selten im Vordergrund und wirken eher aus dem Hintergrund, dankbar dafür, dass sie meistens den richtigen Weg gefunden haben.

  

Besonders Lehrer die sich der klassischen Reitkunst verschrieben haben, werden: 

 

  • nicht überwiegend Lektionen gem. Aufgabenheft "üben" lassen, sondern hauptsächlich die Übereinstimmung und die Harmonie zwischen Reiter und Pferd im Auge haben,
  • nicht monotone, gleichbleibende Anweisung erteilen, so als kämen sie vom Band,
  • nicht individuelles Training nur versprechen, sondern es aktiv betreiben,
  • nicht stets den gleichen Aufbau in ihrem Unterricht haben und sich trotzdem an die Grundsätze klassischer Reitkunst halten,
  • nicht einer gewünschten Schnellausbildung nachgeben,
  • nicht zum Animateur werden, sondern stets in erster Linie Lehrer und Ausbilder bleiben.

 

Der grundlegende Unterschied ist die Konzentration des klassischen Lehrers auf Harmonie und Übereinstimmung zwischen Pferd und Reiter. Je höher dieser Grad erreicht ist, um so bedeutungsloser wird für ihn in welcher Form und Reihenfolge die Übungen verlangt werden. Er kann sie stets, an jedem beliebigen Punkt und in jeder beliebigen Reihenfolge ausführen. Deshalb erübrigt sich für ihn das monotone, wiederholte "üben" ganzer Aufgaben oder Teile davon, weill er weiss, das auch das hundertfache Wiederholen vielleicht die Symptome etwas lindert,  aber nicht die Ursachen behebt.  Im Reiten einer Aufgabe auf Turnieren sieht er lediglich eine Überprüfung seiner bisherigen Arbeit.